The (Un)Wonted´s

Kapitel 5: Sparring

Prolog

Erst als Alphons aus der verbeulten Metallwand stieg, reagierten seine Anhängsel.
„Alter, Alphons! Alles klar, Mann?“
„Gillian, Gefechtsmodus. Jetzt!“ schrie Bastion.
Daraufhin nahm seine Hautfarbe einen stählernen Ton an und sein Körper wurde breiter und breiter. Nach einer Weile stand ein kleiner eiserner Bunker auf dem Spielfeld, welcher, außer durch einen kleinen Sichtschlitz an der Front, nichts von seinem Inneren preisgab. Doch es reichte, um den verschanzten Gillian darin zu erkennen.
„Feuer frei!“, riefen beide.

Nun folgte ein Bombardement von Plasmakugeln, Laserstrahlen und Lichtgeschossen. Gillian Gamma war in der Lage dazu, jegliche Form von Energie in seinen Handflächen zu sammeln und dann abzufeuern. Und diese gewaltige Kraft drohte jetzt auf Dicy hinab zu regnen.
„Shit.“

Sie griff in ihre linke Hosentasche und nahm eine kleine Kapsel aus ihr. Sie drückte auf den oben angebrachten Knopf und ließ sie damit in einer pinken Rauchwolke aufgehen. Herausgesprungen kam niemand geringeres als Robb, Dicys Roboterhund. Dieser klammerte sich, nachdem er ein blechernes „Wuff!“ von sich gab, um Dicys Maschinenarm. Kurz bevor die Geschosssalve eintraf, entstand auf Robbs Rücken ein grün waberndes Energieschild. Als Dicy die gesamte Macht von Gillian zu spüren bekam, war das Schild gerade groß genug, um hinter ihm Schutz zu finden. Doch Gillians Beschuss nahm kein Ende und so raste bereits die nächste Salve auf Dicy zu.
„Energielevel bei 87 %, Wuff. Korrigiere. Energielevel bei 79 %, Wuff.“ schepperte es aus dem Kläffer.
„Danke, Kumpel. Das hilft.“

Einen Augenblick später begann sich Bastion erneut zu transformieren. Neben der Lücke in seiner Panzerung entstanden nun zwei Schnellfeuergeschütze, welche kurz darauf begannen aus allen Rohren zu feuern. Auf Dicy.
„Fuuuuuuuuck!“, schrie sie, während sie langsam von der Wucht der Geschosse zurückgeschoben wurde.
„Energielevel bei 24 %, Wuff! Empfehle kurzzeitiges Abschalten, um Akku aufzuladen, Wuff!“
„Willst du mich umbringen? Auf keinen Fall!“, sie schlug dem Hund sanft auf die Stahlstirn. „Wollt ihr vielleicht auch langsam mal mitmischen?“

V war allerdings schon einen Schritt weiter. Um ihn herum schwebten dutzende Steinschleudern, deren Existenz aber derart flüchtig war, dass man fürchtete, ein leichter Windzug würde sie jeden Moment davon blasen. Wie ein blau leuchtender Nebel, der eine Form annahm, kreisten sie um ihren Meister. Und mit einem Fingerschnippen befahl er ihnen allen zu feuern.

Er zielte allerdings nicht auf den Bunker, denn das wäre sinnlos. Er zielte auch nicht auf die Energiegeschosse von Gillian, da die durch seine Steine schneiden würden, wie ein Phasentrenner durch einen Orichalcumbarren. Er zielte lediglich auf die physischen Kugeln, welche Bastion abfeuerte und verhinderte damit, dass sie Dicy erreichten.

Im nächsten Atemzug sprang er selbst vor sie und damit mitten in die Schusslinie. Er klatschte in die Hände und streckte beide Arme zu Seite, so weit er konnte. Vor ihm materialisierte sich sein Kampfstab. An dem einen Ende, eine ätherische Manaklinge, am Anderen ein farbloser Kristall. Mit ihm und seinem beinahe tänzerischen Kampfstil, schlug er nun Gillians instabile Geschosse zurück in die Partikel, aus denen sie bestanden.
„Energielevel bei 1 %, Wuff. Initialisiere Notabschaltung. Vollständige Aufladung in einer Minute, Wuff.“
„Schwein gehabt“, dachte Dicy.

Sie konnte es nicht mehr aussprechen. Alphons, welcher in der Zwischenzeit einen Teil seiner Verwandlung abschloss, sprang soeben über Bastion, Gillian und sogar V. Blitzschnell schnappte sich Dicy die Laserpistole, welche sie versteckt zwischen Rücken und Gürtel aufbewahrte und begann auf Alphons zu schießen. Mit seinen mächtigen Wolfsklauen blockte er die Angriffe mühelos. Dann stürzte er, wie ein Meteor, auf Dicy und nagelte sie mit einem weiten Prankenhieb in den Boden.
Ihr Roboterarm mag zwar die Attacke gestoppt haben, doch der enorme Aufprall hinterließ definitiv seine Spuren. Dennoch starteten die Antriebsdüsen erneut und beschleunigten den Arm auf Schallgeschwindigkeit. Alphons holte bereits mit der anderen Pranke aus und traf Dicys linke Flanke heftig. Sie wurde von ihm meterweit durch die Luft geworfen. Allerdings gelang es ihr, dank der Schubdüsen in ihrer rechten Hand, die Balance wiederzufinden und sicher auf beiden Beinen zu landen.

In den wenigen Sekunden, die zwischen Alphons Hieben lagen, schlug Dicy 746-Mal auf ihn ein. Dabei traf sie lediglich sein Gesicht, seine Rippen, die Leber und all die anderen schmerzhaften Stellen, die noch nicht transformiert waren. Denn obwohl er als Supie unvorstellbar stark und widerstandsfähig war, so kannte auch sein Körper Grenzen. Diese waren jedenfalls noch längst nicht erreicht.
Mit einem bestialischen Schrei beendete er seine Verwandlung. Sein Gesicht nahm tierische Züge an, sein gesamter Körper war von einem dichten, braunen Fell bedeckt und der ohnehin große Junge, wuchs und wuchs. Bis ein zweieinhalb Meter großer, auf zwei Beinen laufender Wolf in der Sporthalle stand, der Werwolf.
Metamorphose war die Spezialität der Alphas. Egal ob Alphons Vater, seine Mutter oder seine Geschwister, sie alle besaßen die Fähigkeit, sich in Monster zu verwandeln.

„Akku vollständig aufgeladen, Wuff.“
„Perfektes Timing, Robb! Los gehts.“
Erneut baute sich das Energieschild vor Dicy auf. Sie hielt es schützend vor sich und zielte dabei mit ihrer Pistole auf Alphons. Als sie auf ihn schoss, durchdrangen ihre Projektile das Energiefeld ihres Schildes. Dies führte dazu, dass sie Bowlingkugel-groß wurden und bei Kontakt explodierten.
„99 %, 98 %, 97 % …“
„Pssst, das reicht.“
Unbeeindruckt rauschte Alphons aus den Rauchschwaden. Einen Herzschlag später stand er schon vor Dicy, hämmerte mit einem gewaltigen Hieb direkt durch das Schild und traf sie mitten ins Gesicht. Mit voller Wucht schlug sie auf den kalten Hallenboden und verlor sofort das Bewusstsein.
Hinter ihr gab sich nun ein verängstigter Eddy zu erkennen. Zitternd sah er dabei zu, wie Alphons grinsend und mit tropfenden Reißzähnen zu ihm schlenderte.

V hatte alle Hände voll zu tun, Bastion und Gillian in Schach zu halten. Bastion fügte seinem Arsenal vor einer Weile zwei Mörser hinzu, welche seither unaufhörlich versuchten Granaten auf ihn regnen zu lassen. Er konnte diese, indem er eine Schar nebliger Baseballschläger erschuf, zurück zu ihrem Absender schicken. Die Explosionen schienen der undurchdringlichen Verteidigung Bastions allerdings nichts anzuhaben. Derart viele ätherische Waffen auf einmal beschworen zu haben, zerrte dafür aber wie verrückt an V’s Kraftreserven. Er wusste, dass er diese Pattsituation nicht mehr lange aufrechterhalten könne. Daher sah er sich zu extremeren Maßnahmen gezwungen.

Er warf seinen Kampfstab vor sich und klatschte in die Hände. Dieser drehte sich daraufhin so schnell um die eigene Achse, dass keines von Gillians Geschossen den abgelenkten Magier störte. V war gerade dabei, seine Hände mit aller Kraft voneinander zu lösen. Sie vibrierten vor Anstrengung und der sonst so flüchtige Nebel, tobte wie wild zwischen den Handflächen. Funken schlugen um ihn herum und Blitze zischten von Fingerspitze zu Fingerspitze.
Für einen Moment schaute er nach oben zu seinen Feinden, genau in Gillians Augen, welche einzig durch den Sichtschlitz zu sehen waren, aus denen er pausenlos feuerte. V beschwor eine weitere Steinschleuder und ließ sie schießen. Sie zielte genau auf den Sichtschlitz und damit auf Gillians Kopf. Nachdem der Stein die eiserne Hülle seines Verstecks passiert hatte, gab V urplötzlich der ihm entgegenwirkenden Kraft nach. Seine Hände prallten förmlich gegeneinander und die damit freigegebene Energie erschuf ein Portal, welches den Magier unverzüglich verschluckte und wieder verschwand.

Es spuckte ihn an der Stelle des Steines aus, ein kleines Stück über dem Boden und vor allem innerhalb des Bunkers. Einen Herzschlag später, noch immer in der Luft, schnippte er mit dem Finger. Sein Stab verschwand ebenfalls von seinem Platz, nur um vor seinem Herren zu erscheinen. Während er noch immer rotierte, fing V seine Waffe und schlug auf den überraschten, hilflosen Gillian. Und mehr als diesen einen, perfekt ausgeführten, völlig unerwarteten Überraschungsangriff brauchte es auch nicht, um den schutzlosen Supie auszuschalten.

Bastion reagierte jedoch geistesgegenwärtig und transformierte sich unverzüglich. Er schrumpfte fast auf seine ursprüngliche Größe, jedoch wurde er von einer, ihn völlig einhüllenden, Metallpanzerung geschützt. Er holte weit aus, seine Faust wurde mit eisernen Spikes verstärkt und drohte nun V zu treffen. Dieser bezwang zwar soeben einen seiner Gegner, doch die bisherigen Anstrengungen forderten ihren Tribut. Er war nicht schnell genug und so gelang es ihm lediglich drei, sich überlappende Schilde zu erschaffen, die der Wucht von Bastions Attacke allerdings nicht standhalten konnten. In letzter Sekunde riss er zumindest die Arme vor seinen Kopf, um das Schlimmste zu vermeiden. Nichtsdestotrotz warf ihn der Schlag einige Meter zurück.

Nachdem er sich von dem harten Treffer und der unsanften Landung erholt hatte, bemerkte er eine fremde Energie, die sich unweit zu sammeln schien. Zuerst dachte V, dass es sich dabei um Mana handelte. Doch wer sollte in diesem Kampf Mana benutzen, außer ihm? Schließlich war sonst kein Fancie beteiligt. Dann fühlte sich diese unbekannte Kraft anders an. Bösartiger und zugleich gütig. Wild und barbarisch und gleichzeitig ruhig und ausgeglichen. Als man sie fast greifen konnte, machte V ihren Ursprung aus. Sie triefte, langsam, aber sicher, aus Eddy heraus.

Eddy bekam es auf der anderen Seite der Halle mit Alphons zu tun, nachdem dieser Dicy bezwang. Und wie zu erwarten, hatte er ihm nicht viel entgegenzusetzen. Im Gegenteil, zu diesem Zeitpunkt wurde er bereits windelweich geprügelt.
Sein linkes Auge war so blau und dick, es drohte jeden Moment zu platzen. Die Lippen waren aufgerissen und aus der Nase lief unaufhörlich Blut. Sein Shirt war in Fetzen gerissen und sein Oberkörper war mit unzähligen Kratzern übersät. Seine Rippen waren gebrochen und eine fiese Wunde zog sich quer über seinen Rücken.
Man möchte meinen, der Direktor und die Tester sollten mittlerweile dazwischen gegangen sein. Andererseits sind schlimme Verletzungen, bei dieser Art von Arbeit, zu erwarten. Vielleicht lag es auch daran, dass Eddy keine Sekunde versuchte zu flüchten oder den Kampf aufzugeben.
„Bringen wir es endlich zu Ende, Shithart.“
Mit einem Tiefschlag schlug er Eddy in den Magen. Blut spritzte beim Kontakt sofort aus seinem Mund. Dann ließ Alphons ihn auf den Boden fallen.

Als er erneut nach dem zusammengekauerten Eddy griff, packte  dieser ihn am Handgelenk, so, als würde er versuchen ihn aufzuhalten. Ohne jegliche Anstrengung packte Alphons Eddys Schädel und drückte immer fester zu. Allerdings übte auch Eddy mehr Druck auf das Handgelenk aus.
„Aaaahhhhh!“, schrie Alphons schmerzverzerrt. „Verdammt, hör auf! Scheiße, aaahhhhh!“

Alphons Handgelenk wurde von Eddy, wie ein Blatt Papier, zusammengeknüllt.

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