The (Un)Wonted´s

Kapitel 17: Gefragt-

Das Abenteuerkönigreich Fantasia

Wie bereits erwähnt lebten in Fantasia die außergewöhnlichsten und merkwürdigsten Lebewesen, die man sich nur vorstellen konnte. Egal ob Feen, Baumriesen, Erdtitanen, fliegende Fische, die in den Wolken schwammen, oder Chimären, mit denen unsere Helden bereits Bekanntschaft gemacht hatten. Doch eine Art war seit Anbeginn der Zeit unangefochten an der Spitze der Nahrungskette, die Drachen.

Uralte Wesen, älter noch als die Elfen und stärker als alles, was je das Licht der Welt erblickt hatte. Einst herrschten sie über Fantasia, thronten auf den höchsten Gipfeln der eisigsten Berge und nahmen sich, wonach immer ihnen gerade war. Eines Tages verschwanden sie spurlos und hinterließen nichts, als die Sagen und Märchen, in denen sie bis heute vorkommen. Es heißt, dass die Ältesten von ihnen in der Lage waren zu sprechen und sogar eine menschliche Gestalt annehmen konnten.

Nachdem sich V und die Anderen von Bark getrennt hatten, irrten sie tagelang durch den Wald der Elfen. Sie ernährten sich von dem, was die Natur ihnen bot und an das Schlafen unter freiem Himmel gewöhnten sie sich im Nullkommanichts. Und wenn das Wetter ihnen mal einen Strich durch die Rechnung machte, dann war in oder unter den riesigen Bäumen meistens ein Plätzchen für sie frei.
Eigentlich war ihr Ziel und wie sie zu ihm gelangen würden klar, jedoch konnten sie nicht einfach einer Wurzel nach Norden folgen, da diese am strengsten kontrolliert und bewacht wurden. Schlimmer noch, sie waren immer wieder dazu gezwungen, überhastet loszustürzen, weil ein Verfolger sie zu entdecken drohte. Zumindest schafften sie es, ihren Weg gen Norden, zum Drachenkamm, fortzusetzen.

Während ihrem Marsch fragte Eddy irgendwann, was in der Elfenstadt passiert war, bevor ihnen die Flucht gelang. Dicy wollte ihm gerade die Wahrheit sagen, doch ein Blick in das besorgte Gesicht von V hielt sie davon ab. Vielleicht war es auch das enthusiastische, unschuldige und fröhliche Lächeln des jungen Supies, welches sie dazu veranlasste, ihm nichts über den Mord an der Wache zu erzählen.
Jedenfalls erfand sie eine Ausrede, in welcher er von hinten K.O. geschlagen wurde und sie anschließend entkommen konnten. Zu guter Letzt verlangte sie, dass Eddy diese dunkle Kraft nie wieder einsetzen durfte. Er wunderte sich zwar warum, doch schließlich willigte er anstandslos ein, da ihm diese finstere Energie selbst nicht so ganz geheuer war.

Nach drei Wochen der Odyssee und des Katz-und-Maus-Spielens mit den Soldaten Elfheims, erreichte unsere Gruppe endlich den Rand des Elfenwaldes und damit den Drachenkamm. Dieser zog sich von der Küste im Westen, bis hin zu den unendlich tiefen Stollen im Osten, welche die Zwerge ihr Zuhause nannten.
Vor ihnen tauchte langsam aber sicher eine steinerne Wand auf, welche unaufhörlich in die Höhe zu steigen schien. Lediglich eine Handvoll Pfade führte über diesen unüberwindbaren Gebirgspass, welcher als Heimat der Drachen galt. Glücklicherweise mussten Dicy und die Anderen nicht über ihn, sondern in ihn hinein. Wo auch immer sich der Eingang befand.

„Man, geht das vielleicht steil hoch!“, staunte Eddy, der beinahe senkrecht nach oben schaute.
„Bier …“, flehte Dicy und klang dabei so, als wäre sie wochenlang durch eine Wüste gestolpert.
V war der Einzige, der sich darauf konzentrierte, ihr Ziel zu finden. Er schaute links und rechts an der Felswand entlang und entdeckte tatsächlich eine kleine Ortschaft.
„Leute, vielleicht können wir da unbemerkt Informationen beschaffen und unsere Vorräte aufstocken.“
„Und Gefahr gehen dabei erwischt zu werden?“, warf Eddy ein.
„Wir können nicht noch länger orientierungslos in der Gegend rumlatschen. Was meinst du, Dicy?“
„Bier …“, murmelte sie und begann bereits in die Richtung des Dorfes zu schlurfen.

Als unsere Gruppe ankam, klappten ihre Kinnladen für einen Moment nach unten. Das Dorf war entlang einer einzigen Hauptstraße gebaut und glich eins zu eins den Wildwest-Städten, die sie lediglich aus schlecht gealterten Filmen kannten. Auf beiden Seiten reihten sich Geschäfte und Wohnhäuser aneinander und das größte Gebäude, der Saloon, befand sich im Zentrum der Siedlung. Vor ihm wurden Pferde und Kutschen geparkt und es fehlte eigentlich nur, dass jeden Moment ein Steppenläufer vom Wind vorbei geweht wurde, um wirklich jedes Klischee zu erfüllen. Auf einem wackligen, rostigen Ortsschild, welches mit einigen Blutspritzern besprenkelt war, stand „Willkommen in Eastwood“ geschrieben.

„Mit so einem Dörfchen hätte ich hier irgendwie nicht gerechnet“, wunderte sich Eddy.
„Ich war hier vorher auch noch nie. Wirkt etwas … fehl am Platz.“
„Bier …“
Dicy schlenderte wie hypnotisiert und ohne Umwege in Richtung des Saloons und trat durch die Schwingtüren, ohne sie dabei aufzuhalten.
„Sollten wir sie nicht begleiten? Irgendwie ist sie nicht ganz bei Sinnen.“
„Was hast du erwartet? Sie hat seit Tagen keinen Tropfen Alkohol konsumiert und vor einer Weile sind ihr auch noch die Kippen ausgegangen“, diagnostizierte V.
„Schauen wir lieber mal nach dem Rechten.“
Daraufhin eilten Eddy und V der durstigen Techie hinterher, nur um schlagartig vor dem Eingang zu stoppen.

Rechts neben ihm hing ein Schwarzes Brett, an welchem allerhand Dokumente, Nachrichten und Zeitungsartikel befestigt waren. Unter anderem waren da auch drei druckfrische Steckbriefe mit vertrauten Gesichtern zu erkennen.
„Desirée »Dicy« Cunningham, tot oder lebendig. 750 Credits“, las Eddy.
„Arman »V« Vocatorem, nur lebendig. 400 Credits“, fügte V hinzu.
„Deiner sieht irgendwie etwas anders aus. Da hat der Herr wohl ein paar Extrawürste bekommen, mh?“
„Musst du gerade sagen!“, entgegnete er. „Edward »Eddy« Boldheart, tot oder lebendig. 2500 Credits.“
„Hammergeil, ich bin die meiste Kohle wert! Aber warum?“
„Öhm, du hast sicher am meisten Eindruck hinterlassen, oder so“, stammelte V.
„Macht mich das jetzt zum Anführer?“, protzte Eddy mit herausgestreckter Heldenbrust.
„Träum weiter!“, antwortete der Fancie und betrat dabei die Schänke.

„Wie, ihr habt kein Bier? Was habt ihr denn dann?“, schrie Dicy dem Barkeeper ins Gesicht und schlug dabei mit der Faust auf den Tresen.
Der Mann hinter der Theke hob genervt eine Braue, zog anschließend räudig die Nase hoch und rotzte in einen blechernen Spucknapf, welcher derart laut schepperte, man dachte, er hätte eine Schraube oder so reingeschmissen.
„Wir haben Whiskey, Miss.“
„Schön, dann eben ‘ne Flasche davon!“
Dann hörte er auf, mit seinem schmierigen Lappen den Dreck von A nach B zu wischen, griff unter sich und stellte kommentarlos eine Flasche der goldbraunen Flüssigkeit vor Dicy.
„Cheers!“, entgegnete sie ihm und schob sich die Flasche in den Hals.

Währenddessen kamen Eddy und V bei ihrer Freundin an und stellten sich zu ihr.
„Ist Eastwood nicht ein komischer Name, wenn das hier eine Westernstadt ist?“, fragte Ersterer neugierig den Barmann.
„Noch dazu sind wir hier im Norden“, brummte er schulterzuckend zurück. „Die Menschen gründeten diesen Ort vor vielen Jahren und benannten ihn nach einem ihrer Helden, oder so.“
„Ahh“, nickte Eddy, ohne etwas schlauer geworden zu sein.
„Hör mal“, hing sich V in das Gespräch hinein. „Wir suchen den Weg zum Drachenfriedhof, der hier irgendwo sein muss. Irgendeine Idee?“
„Noch nie gehört.“
„Mist. Okay, danke.“
„Und?“, rülpste Dicy, nachdem sie die leere Flasche abgestellt hatte. „Was jetzt?“

Die Gruppe diskutierte eine Weile, doch kam letztlich nur zu einem Entschluss. Sie mussten am Drachenkamm entlanglaufen, bis sie den Eingang gefunden haben. Eine Aufgabe, die bei der schieren Länge des Gebirgspasses schon ein paar Monate dauern könnte.
„Ich werd’ mich keinen Tag länger von Pilzen und Beeren ernähren, vergiss es!“, zischte Dicy.
„Müssen wir auch nicht. Wir können hier unsere Vorräte auffüllen.“
„Ja? Und mit welchem Geld, Herr Gildenmeister?“
„Von unserem Vorschuss müsste schon noch etwas übrig …“
„Nope. Den Rest haben wir eben versoffen“, sagte sie und stellte eine weitere Flasche auf den Tisch, an dem sie mittlerweile saßen.

Man konnte dabei zusehen, wie sich eine Krampfader auf V’s Stirn bildete und zu explodieren drohte.
„Wir? Du hast dir doch alleine einen reingeschraubt!“, peitschte er.
„Stimmt überhaupt nicht!“, verteidigte sie sich. „Eddy hat auch mitgetrunken.“
„Du machst mich wahnsinnig! Kannst du nicht einmal …“
Die beiden stritten sich noch eine Weile und nur Eddy, dessen Augen wie zwei Tennisbälle zwischen ihnen hin und her hetzten, bemerkte die ältere Dame, die an ihren Platz trat.

„Entschuldigt, ich wollte nicht lauschen, aber ihr wollt zum Drachenfriedhof, richtig?“, erkundigte sich die gekrümmte, am Stock gehende Frau.
„Was geht dich das an, hä?“, krakelte Dicy.
„Nun, wie es der Zufall so will, kenne ich den Weg.“
Die Drei sprangen zeitgleich auf und starrten ihrer Gegenüber ins Gesicht.
„Kein Scheiß? Fantastisch!“, freuten sie sich.
Doch schlagartig setzte sich Dicy wieder hin und verschränkte die Arme.
„Und was willst du dafür?“
„Ach was. Nichts weiter als euer Geleit. Ich möchte nämlich ebenfalls an diesen Ort reisen. Aber für eine Greisin ist das kein leichtes Unterfangen, wie ihr euch sicher gut vorstellen könnt“, hustete sie.

Unsere Helden tauschten für einen Moment Blicke aus, doch aufgrund mangelnder Alternativen willigten sie dem Deal schnell ein.
„Wir sind im Geschäft, alte Frau! Kann es gleich losgehen?“, verkündete Eddy und hielt ihr dabei die offene Hand entgegen.
„Natürlich. Ach und nennt mich doch Nora.“
„Freut mich, Nora. Eine Sache noch, du hast nicht zufällig Lust, uns einen Wegwhiskey auszugeben?“
„Hihihi“, kicherte sie. „Diese Jugend heutzutage. Ich denke, das lässt sich einrichten.“
„Spitze! Nora, mit genügend Alkohol bringe ich dich bis ans Ende der Welt“, log Dicy.
Sie griff ihr hilfsbereit, doch völlig eigennützig, unter den Arm und stützte sie, während die beiden gemeinsam zurück an die Bar gingen.

Damit war nun endlich Licht am Ende des Tunnels zu erkennen und die (Un)Wonted’s waren nicht mehr weit von ihrem Ziel entfernt. Ausgestattet mit reichlich Alkohol, einer absolut vertrauenswürdigen Fremden, die ihnen den Weg wies und der Abenteuerlust in ihren Herzen, gab es nichts, das sie noch von ihrem Vorhaben abhalten konnte. Oder doch?

Schreibe einen Kommentar