The (Un)Wonted´s

Kapitel 24: Reunion

Das Abenteuerkönigreich Fantasia

Forscher und Wissenschaftler Progressias arbeiteten eine Weile an einem nie dagewesenen, bahnbrechenden und genauso beängstigendem Projekt. Ziel dieses Unterfangens war es, eine Art Parallelwelt zu erschaffen, um dortige Ressourcen und Materialien für die eigenen Zwecke zu nutzen. Kommt euch irgendwie bekannt vor? Wartet, bis ich euch den Namen verrate. Sie nannten es, Fantastica.

Im Grunde war die Idee brillant. Wenn es gelingen sollte, Welten künstlich zu erschaffen, gehören Probleme wie Wohnraum, Lebensmittelarmut oder Rohstoffknappheit der Vergangenheit an. Klingt verrückt und unmöglich? Das dachten die Menschen auch, allerdings konnte man ja auch Holz oder Erze aus Fantasia, einer Welt aus Daten und Zahlen, mit in die Realität bringen und verwenden.

Letzten Endes wurde das Projekt von einer eingeschalteten Ethikkommission gestoppt. Denn bei den Sponsoren und Geldgebern keimte eine grausame Idee auf.
„Wieso nicht auch billige Arbeitskräfte erschaffen, wenn man einmal dabei ist?“
Schließlich war die Gier nach Besitz und Reichtum, wie so oft in der Geschichte, größer als der Wunsch zu helfen. Schade.

Nachdem sich die (Un)Wonted’s dazu entschlossen hatten, Markus zurück nach Progressia zu begleiten, zauberte er sie kurzerhand aus dem Manaleum. Mittlerweile schwebten sie ein paar Meter neben dem höchsten Gipfel des Drachenkamms, welcher sich direkt über dem Goldenen Hain befand.
„Unglaublich!“, staunte Eddy, während er und seine Gefährten den Ausblick genossen. „Was für eine Aussicht!“
Und sie war spektakulär. Sie sahen den gesamten Elfenwald, bis am Horizont Yggdrasil, der Lebensbaum, in den Himmel ragte und zwischen den Wolken verschwand. Sie erkannten die zerklüfteten Zwergenlande und sogar die endlose Wüste, welche sich auf der anderen Seite des Gebirges breitmachte.

„Jetzt sperrt mal die Lauscher auf“, begann Markus. „Hier wird es gleich richtig ungemütlich. Bleibt unter allen Umständen hinter mir, sonst lauft ihr demnächst einen Kopf kürzer rum, capiche?“
„Wieso? Was passiert denn …“
Dicy wurde von einer Gestalt unterbrochen, die zügig in ihre Richtung flog. Nachdem sie nähergekommen war, erkannte man einen Menschen, dem ein einzelner, rubinroter Drachenflügel aus der rechten Schulter wuchs. Sein Schwertarm war ebenfalls rot geschuppt und die Klinge, die in seiner Hand ruhte, war dünn wie Seide, beinahe endlos lang und brannte obendrein noch lichterloh.
„D-d-das ist Arthur, Anführer der letzten Heldengeneration und Bezwinger von Luciferus, dem Dämonenkönig!“, murmelte V kreidebleich und starr vor Angst.
„Wenn ich mich recht erinner’, hat Luciferus mit ihm den Boden gewischt.“ kommentierte eine sarkastische, sich am Kinn kratzende Existenz.

Auf der Bergspitze, die sich neben der Gruppe befand, gedieh ein einsamer Kirschblütenbaum. Inmitten von eisigen Stürmen, harschen Winden und einer allgemein denkbar schlechten Umgebung für Pflanzen, schaffte er es pink zu blühen und etwas Wärme an diesen trostlosen Ort zu bringen.
Dann entstanden plötzlich ein paar kleine Risse in der Rinde des Stammes. Zwei Augen strahlten aus ihnen heraus und starrten mitten in Markus’ Gesicht. Kurz danach stieg eine wunderschöne Elfin aus dem massiven Holz. Daraufhin verblühte der Baum schlagartig, verwelkte und ging in Sekundenschnelle ein. Übrig blieb ein elfischer, von oben bis unten mit Runen übersäter Langbogen, in dem ein einzelner Pfeil ruhte.
„U-u-und d-d-das i-i-ist …“
„Erinia, Sturmschützin und erste Gefährtin Arthurs, Prinzessin der Elfen und Tochter von König Estragon, ja, ja“, seufzte Markus.

Neben ihr, aus einer der tiefsten Schluchten des Drachenkamms, von der man sagte, sie reiche bis in die tiefsten Tiefen Hellheims, stieg ein Zwerg in die Höhe. Er klammerte sich an seinen eigensinnigen Vorschlaghammer, welcher ihn in die Luft, bis zu den Anderen brachte. Ihm wiederum folgte ein gewaltiger Erdgolem, welcher nach seinem Erscheinen die gesamte Schlucht vereinnahmte, aus der sie eben noch kamen. Er schlug gegen eine der Felswände und daraufhin zersplitterte der gesamte Berg in seine Einzelteile. Als sich der Schutt und Rauch legte, hielt auch er einen riesigen Hammer in der Hand.
„D-d-der Schmied d-d-der …“
„Thorsteyn, Heldenvati und zweiter Gefährte Arthurs, Schmied der Götter und Bändiger der Erze, bla, bla, bla“, meckerte Markus, die Augen verdrehend und sichtlich genervt.

„Horhorhor, das ist so nicht ganz richtig“, brummte der Zwerg. „Du warst sein erster Gefährte, Trickser.“
„Sein engster Vertrauter“, fügte die Elfin hinzu. „Und sein ärgster Feind, aber das kümmert dich sicher …“
Sie stoppte sofort, als Arthur kommentarlos die linke Hand hob. Er wirkte ganz ruhig und gefasst, beinahe so, als hätte er gewusst, dass dieser Moment eines Tages kommen sollte.
„Wie ist es dir ergangen, alter Freund?“, fragte er.
„Kann nicht meckern. Kennst mich doch, Unkraut vergeht nicht“, antwortete Markus nüchtern.
„Recht hast du. Man muss es schon jäten!“
Seine Stimme wurde wütender und feuriger. Er warf Markus einen scharfen Blick zu und zielte mit der Spitze seines Schwertes auf den Feind vor ihm.
„Boah, Alter, seid ihr dann bald fertig mit dieser total peinlichen Begrüßung? Ist ja brutal cringe, ey“, grunzte Markus mit angewiderter Miene.
Doch er bekam keine Antwort, da niemand, auch ich nicht, wusste, was Cringe überhaupt bedeutete.

„Weißt du, ich habe es damals noch nicht verstanden …“, erzählte Arthur.
Blitzschnell wandte sich Markus seinen Begleitern zu und tippte sie mit dem Ellenbogen an.
„Jetzt kommt der Heldenmonolog, wetten?“
Doch ihm wurde nur mit Gähnen und Schulterzucken geantwortet.
„… Ich dachte, meine … unsere Bestimmung sei es, die Dämonen zu bekämpfen. Doch damit lag ich offensichtlich falsch. Dann half ich dabei, unserem Volk ihren Frieden zu bringen und dafür zu sorgen, dass sich nie wieder etwas daran ändern sollte …“
„Hast super Arbeit geleistet. Alles bombenfest hier“, scherzte Markus.
„… Doch wie du sehen kannst, ist unsere Aufgabe noch nicht erfüllt, das Böse noch nicht besiegt. Wir sind nach wie vor an unsere Pflicht gebunden, bis wir die uns auferlegte Bestimmung erfüllt haben.“
„Wenn Held sein, so einfach wäre, würde es ja jeder machen.“
„Der Feind, den es zu bekämpfen galt, das Böse, waren mit Sicherheit nicht die Dämonen. Und auch nicht die Menschen. Sondern du, Markus, wir sind einzig und allein am Leben, um dir ein Ende zu bereiten.“
„Bring it, Bitch!“, beendete Markus das Vorgeplänkel.

Arthur nahm sein Schwert fest in beide Hände, hielt es hinter sich und schloss die Augen. Die Flammen, welche auf der Klinge loderten, wurden stärker, größer und wilder. Als Nächstes sah man ihn in einer Position, die andeutete, dass er seinen Hieb schon vollendet hatte. Lediglich ein auf Markus zurasender Feuerwall war Beweis dafür, dass tatsächlich eine Attacke ausgeführt wurde.
Unterdessen wurde es völlig windstill, obwohl sich ein Sturm über den Köpfen unserer Gruppe zusammenzog. Unzählige Windhosen stiegen aus dem Himmel herab und mündeten allesamt in den Greifenfedern, welche am Ende von Erinias Pfeil befestigt waren. Einen Augenblick später war das Geschoss verschwunden und lediglich ein heftiger Luftzug, welcher an den Klamotten, der Haut und den Haaren unserer Protagonisten zerrte, deutete darauf, dass der Schuss sie bereits passiert haben musste.
Währenddessen hielt Thorsteyns Erdgolem seinen Hammer nach oben, so weit er konnte. Genau so, wie Thorsteyn es tat. Dann schlug er mit brachialer Gewalt zu und der Golem tat es ihm erneut gleich. Wie eine Guillotine, die über Leben und Tod entschied, stürzte die Waffe, wie ein Meteor, auf Markus herab.

Dieser hob seelenruhig seine Hand und hielt sie einfach nur vor sich. Die Angriffe, welche ihn gleichzeitig trafen, stoppten abrupt, kurz bevor sie ihn erreichten. Die Flammenwand verpuffte, als hätte man ihr den Saft abgedreht. Der Pfeil rotierte zwar noch immer um die eigene Achse, bewegte sich aber keinen Millimeter mehr nach vorn. Und der gewaltige Hammer schien in etwas festzustecken, aus dem der Zwerg ihn, selbst mit seiner gesamten Macht, nicht mehr herausgezogen bekam.

Einen Herzschlag später kamen drei weitere Versionen von Markus aus dem Original heraus, tippten Arthur, Erinia und Thorsteyn gegen die Stirn und verschwanden wieder, bevor es einer von ihnen überhaupt bemerkte. Sie fingen an ins Nichts zu schlagen, angestrengt zu atmen und wirkten prinzipiell eher abwesend. Was sie nicht wussten, war, dass Markus sie in einen Traum steckte und dort gefangen hielt, in welchem sie einen erbitterten Kampf gegen ihn führten.

Die (Un)Wonted’s bekamen davon nicht allzu viel mit, da all dies im Bruchteil einer Sekunde geschah. Was sie dagegen mitbekommen hatten, waren die enormen Auswirkungen der Attacken.
Arthurs horizontaler Hieb machte den Drachenkamm ein paar Meilen kürzer und stutzte dem widerspenstigen Gebirge glatt die Spitzen.
Erinias Pfeil bohrte ein tiefes Loch in den Erdboden, welches bis auf die andere Seite des Planeten reichen sollte.
Und Thorsteyns Schlag riss eine mehrere Meter breite, sowie tiefe vertikale Schneise durch die gesamte Wüste und teilte selbst den Ozean hinter ihr noch in zwei.
Wohlgemerkt handelte es sich dabei nur um den Effekt der Druckwellen, die eigentliche Stärke dieser Angriffe hätte vermutlich den gesamten Planeten ruiniert.

„Scheiße, was ist denn hier passiert?“, wunderte sich Dicy.
„Nichts weiter. Wir hatten nur eine kleine Meinungsverschiedenheit“, entgegnete Markus und klopfte sich dabei die Hände ab.
„Was hast du denn mit denen angestellt?“, wollte V wissen, nachdem er auf ein paar Helden gestarrt hatte, die gegen einen imaginären Gegner kämpften.
„Schlafen gelegt. Die waren etwas quengelig heute.“
„Wahnsinn! Als hättest du drei Kleinkindern den Lutscher geklaut!“, verglich Eddy.
„Das hier war noch etwas einfacher, aber egal“, kicherte Markus über seinen eigenen Witz. „Also, bereit zum Ausloggen?“

Seine Gegenüber nickten zuversichtlich, öffneten ein letztes Mal das Menü, welches sie hier tagein tagaus benutzten und wollten sich gerade abmelden, als ihr Blick schlagartig einfror. Ihre Gesichter wurden weiß wie Schnee und in ihren Augen sah man nichts als Angst und Furcht.
„Was’n los? Alles klar?“, erkundigte sich Markus.
„Die Option »Ausloggen« fehlt!“, schluchzte Eddy.
„Jemand hat unsere Körper!“, stellte Dicy fest.
„Wir sind hier drin gefangen!“

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