The (Un)Wonted´s

Kapitel 4: Prüfung

Prolog

Mitglieder von Gilden bekamen für gewöhnlich ein Abzeichen, dass ihre Zugehörigkeit bewies. Dieses diente nicht nur als Erkennungsmerkmal, sondern zeigte auch anderen, dass man Teil einer Fraktion war. Jedes Zeichen unterschied sich voneinander und reflektierte die Werte einer jeden Gruppierung. Zusätzlich war es in verschiedene Farben unterteilt, welche den Rang und damit das Können eines Teams widerspiegelten. Ein bronzefarbenes Abzeichen wurde an neu gegründete Organisationen vergeben, während die alteingesessenen Gilden, die sich bereits in zahlreichen Missionen bewiesen haben, silberne oder goldene Orden trugen. Dicy, Eddy und V trugen derzeit keinerlei solcher Ornamente bei sich.

„Also, zeigen Sie bitte ihre Abzeichen vor, nennen sie uns den Namen ihrer Gilde und eine Ansprechperson, mit der wir im Anschluss ihre Aussagen bestätigen können.“ sprach Artific.
Dicy marschierte mittlerweile am Podest vorbei und stellte sich den vier Testern frontal und selbstbewusst entgegen.
„Meine lieben Damen und Herren“, begann sie. „Wir Drei stehen hier heute ohne Abzeichen vor Ihnen. Dennoch …“
„Soll das ein schlechter Witz sein?“, fluchte Scintia. „Wir haben keine Zeit für solche Kinderspielchen.“
„Schön. Also werdet ihr Gilden zugewiesen. Alle weiteren Instruktionen werdet ihr in Kürze von euren …“
„Mooooment!“, unterbrach Dicy die Kriegskaiserin, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. „Wie ich soeben sagen wollte, haben wir zwar keine Abzeichen bei uns, allerdings sind wir dennoch Teil einer Gilde.“
„Was soll das bedeuten?“, wunderte sich Artific.
„Nun, es ist ganz einfach. Unsere Gilde wurde erst kürzlich gegründet. Heute Morgen, um ganz genau zu sein. Und da sie noch so jung ist, existiert schlicht und ergreifend noch kein Abzeichen.“

Während sie sprach, ging sie näher zu Cid und den Anderen und drückte ihnen ein druckfrisches Zertifikat in die Hand. Auf diesem war, unterschrieben vom Amt für übernatürliche Aktivitäten, die Gründung einer neuen Gilde dokumentiert.
Außerdem wurden als Gründungsmitglieder Eddy, V und Dicy angegeben.
„Miss Cunningham!“, tobte Artific. „Ihre Scherze nehmen langsam Überhand. Wenn sie uns täuschen möchten, können wir ihnen ihre Lizenz auch entziehen. Möchten sie das?“
„Mitnichten, guter Herr“, grinste sie. „Vielleicht weise ich euch einmal daraufhin, dass jeder mit einer Lizenz und einem perfekten Abschluss der Akademie, die Rechte besitzt, eine Gilde zu gründen. Steht alles in ihren Grundsätzen, falls sie es nachschlagen wollen.“
„Wagen sie es nicht, mich über die Grundsätze, die von mir höchstpersönlich verfasst wurden, zu verbessern. Ich bin mir über deren Inhalt durchaus bewusst …“
Artific schlug in einer von drei Akten nach, vergewisserte sich über etwas, dass er ohnehin bereits ahnte und setzte anschließenden seinen Satz fort.
„… Wir haben ihre Ergebnisse vorliegen und sie sind weit von einem fehlerfreien Abschluss entfernt. Sehr weit, wohlgemerkt.“
„Korrekt. Viel weiter kann man nicht davon entfernt sein, ohne durchzufliegen, denke ich. Deshalb bin ich ja auch nicht als Gildenmeister eingetragen, wie sie unserem Dokument ebenfalls entnehmen können.“
Fragende Blicke musterten erneut das Zertifikat, welches Dicy den Testern überreichte.

„Mister Vocatorem, wären sie so freundlich und klären uns auf?“
„Wie bitte?“
Dicy zwinkerte dem ahnungslosen V zu und grinste ihm frech entgegen.
„Öhm, ja-ja. Sie sehen es ja selbst, schwarz auf weiß.“
„Schön. Dann bleibt bloß eine Frage. Sie gehören verschiedenen Fraktionen an, Miss Cunningham und Mister Boldheart können also nicht als Mitglieder ihrer Abenteurergilde akzeptiert werden.“
„Ähem“, räusperte sich Dicy. „Wenn ich kurz unterbrechen dürfte. Streng genommen handelt es sich bei diesem Team um keine Abenteurergilde, um ehrlich zu sein sind wir noch überhaupt gar nichts.“
„Hören Sie endlich auf, um den heißen Brei herumzureden! Was sollen sie denn sonst sein?“
„Nun, mir ist leider keine passende Begrifflichkeit dafür eingefallen, aber theoretisch sind wir eine Superheldenliga, ein Wissenschaftsteam und eine Abenteurergilde in Einem. Vielleicht ’ne super schlaue Abenteurerliga?“

Es dauerte einen Moment, bis jeder im Saal begriff, dass dies kein Witz war. Niemand außer Dicy glaubte, dass sie diesen Inbegriff des Frevels wirklich ernst meinte. Als alle Beteiligten verstanden, dass es sich wider Erwarten doch um ihren vollen Ernst handelte, drohten Artifics Krampfadern zu explodieren.
„Das reicht!“, schrie er. „Das ist Ketzerei! So etwas hat und wird es niemals geben!“
„Natürlich nicht, wenn …“
„Ruhe!“, brüllte er wieder. „Noch ein Wort und ich entziehe euch allen die Lizenz! Wie könnt ihr eure Zukunft so leichtfertig aufs …?“
„Artific“, sprach die Person, die auf dem Thorn saß, ruhig.
„Das ist unerhört! Wenn wir sie gewähren lassen, dann ….“
„Dann was?“, unterbrach sie erneut. „Ich glaube, das könnte mal frischen Wind in unsere staubtrockene Bürokratie bringen. Klingt doch spannend. Was sagen die Anderen?“
„Ich denke nicht, dass wir drei Absolventen, die gerade erst ihren Abschluss gemacht haben, guten Gewissens auf Missionen schicken können.“ argumentierte Scintia.
„Sie sollen doch auch nicht gleich hochrangige Dungeons erkunden oder quer durch die Galaxie schippern.“
„Lasst es uns einfach beweisen“, hing sich Dicy in das Gespräch. „Es gibt doch sicher eine Möglichkeit, euch von uns und unseren Fähigkeiten zu überzeugen. Dann werdet ihr schon sehen, was wir drauf haben.“
„Gar keine schlechte Idee eigentlich.“
„Herr Direktor, sie denken doch nicht wirklich darüber nach, den Vorschlag dieser Drei nachzukommen“, zischte Artific.
„Wieso denn nicht?“

Die Person, welche der Direktor des Amtes zu sein schien, schnippte mit den Fingern. Das Hologramm einer Frau erschien neben ihm.
„Claudia, ist Mister Alpha und seine Begleitung noch im Haus?“
„Ja, Sir“, antwortete die Frau mit einer elektronischen Stimme.
„Sehr gut. Schicken sie, sie doch bitte in unsere Sporthalle, ich möchte diese jungen Männer um einen klitzekleinen Gefallen bitten.“
„Unverzüglich“, antwortete sie kurz und knapp.
Es war kein weiteres Schnippen notwendig. Die Übertragung des Hologramms brach nach einigen verzerrten Störbildern ab.
„Fantastisch. Soeben hat sich eine dieser Möglichkeiten ergeben“, freute sich der Direktor.
Er klatschte einmal in die Hände und seine drei Kollegen verschwanden daraufhin gänzlich.
„Bitte geht auf der Stelle in unsere Trainingsabteilung. Wir werden euch dann dort treffen.“
Mit einem zweiten Klatschen verschwand der Direktor selbst und ließ damit die drei Freunde allein zurück.

„Scheiße, Dicy, das war dein Plan?“
„Was beschwerst du dich denn, V? Hat doch gut funktioniert.“
„Weißt du überhaupt, was es bedeutet eine eigene Gilde zu gründen, wie viel Verantwortung und Arbeit das für uns heißt?“
„Nö, nich’ wirklich. Immer noch besser, als getrennt voneinander für irgendwelche alten Säcke zu schuften.“
V schlug mit der flachen Hand auf seine Stirn und schüttelte den Kopf.
„Eddy, sag du doch auch mal was.“
„L-l-leute, ich bin ein S-s-supie!“
„Ja-ja, ein Supie ohne Superkräfte. Lasst uns erst mal in die Sporthalle gehen und schauen, was sie für uns in petto haben.“

Sie verließen den Raum, stiegen erneut in den Fahrstuhl und fuhren nun tief in den Keller des Turms. Auf dem Weg nach unten ließ V keine Chance aus, Dicy für ihre hirnverbrannte Idee zu tadeln. Unterdessen versuchte Eddy alles erdenklich Mögliche, um irgendetwas über seine Kräfte herauszufinden. Er machte Liegestütze, Sit-ups, Hampelmänner, er dehnte sich und er schlug ein paar Mal zaghaft gegen die Fahrstuhlwände. Als sich die Türen dann öffneten, hatte er nichts Neues in Erfahrung bringen können.

„Sag mal, wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, eine eigene Gilde zu gründen? Als wüsstest du, was in den Grundsätzen des Amtes steht. Und dann auch noch innerhalb einer Nacht? So ein Vorgang kann sich schon mal ein halbes Jahr ziehen“, fragte V.
„Kontakte“, antwortete Dicy trocken. „Ich hab ’ne Menge Freunde unten, die können einem bei allem Möglichen helfen, wenn man bloß nett fragt.“
„Also willst du es uns nicht verraten?“
„Alles zu seiner Zeit.“

Sie betraten die Trainingshalle und sahen drei vertraute Personen. Alphons Alpha, Bastion Beta und Gillian Gamma, die Schulhofrüpel, die Eddy das Leben zur Hölle machten. Der Direktor erklärte ihnen, was als Nächstes passieren würde und kam dann zu Dicy, Eddy und V.
„Also, ihr werdet nun gegen Alphons’  Team kämpfen. Gewinnt ihr, akzeptieren wir euch vorerst als offizielle Gilde.“
„Vorerst?“
„Eins nach dem Anderen. Zuallererst müsst ihr gewinnen. Haltet euch nicht zurück. Sollte es gefährlich werden, gehen wir dazwischen. Und macht euch keine Sorgen um die Halle, sie wurde eigens für Sparrings zwischen Superhelden konstruiert, das Ding kann also einiges ab.“
„Vielen Dank, Direktor.“
„Ach, was das betrifft. Behaltet meine Identität doch bitte für euch.“
„Natürlich“, nickte Dicy.
Dann verschwand er augenblicklich auf die Zuschauerränge, auf welchen bereits Scintia, Artific und Nova Platz nahmen.

„Ist das wirklich der Direktor des Amtes?“
„Jap.“
„Und das wusstest du wohl sicher schon, bevor wir überhaupt hier waren, oder?“
„Ich hatte so eine Ahnung.“
„Deswegen die Aktion mit deinem Arm. Du wolltest ihn aus der Reserve locken, um deinen Verdacht zu bestätigen.“
„Vielleicht.“
„Und nur deshalb der Versuch, ein All-In-One-Team zu gründen. Außer dem Direktor würde dieses Vorhaben sonst wohl niemand unterstützen.“
„Wozu all die Fragen, wenn du die Antworten schon kennst?“
„Also manchmal überraschst du sogar mich, Dicy.“
Sie antwortete nicht mehr. Ihr Blick war auf den näher kommenden Alphons gerichtet.
„M-m-moment mal. W-w-wie sollen wir denn gegen die D-D-Drei ankommen? Wir haben bis j-j-jetzt kein einziges M-M-Mal gewonnen.“
„Locker bleiben, Eddy …“

Dicy ging Alphons entgegen, bis sie sich in der Mitte der Halle trafen.
„Wir dürfen euch Losern heute offiziell den Arsch versohlen. Seht zu, dass es nicht zu schnell vorbei …“
Aus Dicy’s rechtem Ellenbogen traten zwei stählerne Platten hervor, welche anschließend zwei kleine Antriebsdüsen preisgaben. Sie verliehen dem nun folgenden Schlag ein enormes Tempo. Damit traf sie Alphons mitten ins Gesicht und schleuderte ihn bis ans andere Ende der Halle. Er stoppte erst, als er in die Wände krachte und dabei mehrere Metallplatten eindellte.
„… Heute machen wir ja auch das erste Mal ernst.“

Schreibe einen Kommentar