The (Un)Wonted´s

Kapitel 15: Verfolgungsjagd

Das Abenteuerkönigreich Fantasia

In Fantasia war die Magie allgegenwärtig, egal wohin man kam. Jene Orte, welche so reich an Mana waren, dass es beinahe aus ihnen herausquoll, nannte man Dungeons. In ihnen nährten sich Monster von der magischen Kraft und wurden stärker, größer und brutaler. Außerdem verbargen sich in ihnen auch die spektakulärsten Schätze, die man sich nur vorstellen konnte. Dabei waren Gold, Juwelen oder andere Reichtümer nur die Spitze des Eisberges.

Wonach Abenteurer wirklich suchten, wenn sie sich in diese gefährlichen Gebiete wagten, waren die magischen Reliquien, welche tief in den Höhlen versteckt wurden. Uralte Artefakte, welche so voller Magie waren, dass sie nicht nur einzigartige Fähigkeiten erhielten oder ihren Trägern besondere Kräfte verliehen, sondern manchmal sogar einen eigenen Willen entwickelten. Bis heute gelang es niemandem, egal wie weit der technische Fortschritt kam, einen solchen Gegenstand künstlich zu erschaffen.

Vom scheppernden Fenster, welches bei Barks Flucht zu Bruch ging, überrascht, schauten die beiden Wachen zum Ort des Geschehens. Sofort erkannten sie Dicy und Eddy.
„Da sind sie! Jetzt schnappen wir sie uns!“, rief eine von ihnen.
Dann kam alles Schlag auf Schlag. Während einer der beiden Wachleute Verstärkung holte, stürmte der Andere auf die Flüchtigen zu.
„Scheiße, ihm nach!“, schrie Dicy.
Daraufhin sprangen sie ebenfalls durch das kaputte Fenster und nahmen die Verfolgung auf. Draußen angekommen, glaubten sie ihren Augen nicht. Bark hielt einen Vierzack in der rechten Hand und zielte nach vorn. Dieser schien einen Wasserstrom aus dem Nichts zu erzeugen, auf dem er kinderleicht surfte und in einem Affenzahn davon sauste. Als wäre das noch nicht spektakulär genug, kippte er weiterhin das Bier in seinen Schlund.

„Wie cool ist das denn bitte? Das muss ich auch versuchen!“, staunte Eddy.
„Der will mich wohl verarschen?“, fluchte Dicy, während Robb bereits das Jetpack an ihrem ausgefahrenem, metallenem Flügel aktivierte.
Einen Moment später verdeckten Rauchschwaden das gesamte Gasthaus, als die Antriebsdüsen starteten.
„Versuch gar nicht erst hinterherzukommen, halt mir lieber die Wachen vom Hals!“, befahl Dicy.
Als sich der Staub legte, war der alleingelassene Eddy von dutzenden Wachen umzingelt.
„Vergiss es, das lasse ich mir nicht entgehen!“, grinste er.
Seine Beine fingen an in einem schwachen Licht, welches jeden Moment zu erlöschen drohte, zu leuchten. Mit dem ersten Schritt schaffte er es blitzschnell an den Soldaten vorbei, mit dem Zweiten verschwand er hinter derselben Ecke, wie zuvor Bark und Dicy.

Die Beiden rauschten, ohne Rücksicht auf Verluste, durch die Häuserschluchten und schleuderten dabei Marktbuden mitsamt ihren Besitzern durch die Lüfte. Sie blieben in den Wäschelianen hängen, die zwischen den Gebäuden gespannt waren. Auf den Dächern wiederum waren die Bogenschützen der Stadtgarde in Position. Sie schossen pausenlos auf Dicy, welche es selbst mit ihrem Energieschild schwer hatte, jeden der Pfeile zu blocken. Kurz darauf begannen auch die Magier der Stadt auf sie zu feuern. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn es regneten unaufhörlich Feuerbälle auf die junge Techie. Doch mit ihrer Laserpistole brachte sie die feurigen Kugeln schon von Weitem zum Explodieren. Im Himmel über Elfheim war nun ein wahres Feuerwerk zu erkennen. Jedoch wurde der Qualm der Explosionen immer dunkler und dunkler. Irgendwann war er tiefschwarz und Funken begannen in ihm zu schlagen. Plötzlich hagelte ein Blitz herab, traf Dicy und nagelte sie in den Boden.

Wenig später erreichte Eddy, die in einem Krater liegende Dicy.
„Alles klar?“, fragte er.
„Sieht’s so aus?“
„Ne, ehrlich gesagt …“
„Hinterher!“, schrie sie.
„Jawohl!“
Auf seinem Weg sauste Eddy zwischen mehreren Wachen hindurch und bediente sich an ihren Schilden, die er, wie ein Kellner die Teller, mit einer Hand trug. Als er endlich zu Bark aufschloss, sprang er mit einem Mal auf den gewaltigen Wasserstrom, welcher noch immer durch die Luft flog. Er warf eines der Schilde auf die Flut, landete fest mit beiden Füßen auf ihm und ritt kurz darauf neben dem Fischmenschen die magische Welle.

„Bark wusste nicht, dass du so gut surfen kannst.“
Er schob seine Unterlippe beeindruckt noch oben und streckte Eddy den ausgestreckten Daumen entgegen.
„Bis eben hatte ich auch keine Ahnung.“
Bark begann nun zusätzlich, Eddy’s Leistung würdigend, zu nicken.
„Du, hör mal. Wir wollen dich wirklich nicht verarschen. Wir haben nur zufällig einen anderen Auftrag, bei dem wir ebenfalls eine Schatulle abgeben müssen.“
Während die Beiden sich unterhielten, flogen ihnen permanent Kettenblitze, Eisscherben und elfische Pfeile um die Ohren. Aus dem Nichts sprießende Wurzeln griffen nach ihnen und beschworene Waldelemente versuchten sie mit ihrer Windmagie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Drohte ein Angriff sein Ziel zu erreichen, wehrte eine aufsteigende Wassersäule die Attacke ab oder Eddy schleuderte ein Schild schützend in die Schussbahn. Unterdessen holte er die richtige Schatulle aus einer seiner Taschen.

„Hier, Bark, das brauchst du für deinen Traum. Bitte, glaub mir.“
„Wirklich?“
„Ja, vertrau deinem Freund.“
„Na gut“, brummte er.
In einem emotionalen Moment griffen die Beiden nach den jeweiligen Schatullen, schafften es aber nicht. Nur wenige Millimeter trennten sie voneinander, als eine Erdhand zwischen sie in den Himmel stieg und sie von der Welle schlug. Sie krachten in ein nahegelegenes Gebäude und legten es bei ihrem Aufprall, obwohl es nur aus Holz, Gras und Blattwerk bestand, in Schutt und Asche. Augenblicklich waren sie von Soldaten auf dem Boden, Bogenschützen auf den Dächern und Magiern in der Luft umzingelt.
„Ihr seid umstellt! Gebt auf oder tragt die Konsequenzen eures Handelns!“, schrie ihr Befehlshaber.

In diesem Moment begann es im Hintergrund zu rauschen. Erst ganz leise, dann immer lauter werdend, wie ein Flugzeug, das über einem startete. Plötzlich preschten Dicy und V durch die Reihen der Soldaten, schleuderten mehrere von ihnen, unter anderem den Befehlshaber, in die Luft und durchbrachen die Linien der Elfen. Sie kamen neben Eddy und Bark, die gerade aus dem Krater stiegen, zum Stillstand, drehten sich unverzüglich zurück zu ihren Widersachern und nahmen Kampfhaltung ein.
„Alles klar bei euch?“, fragte Dicy.
„Alles klar! Nicht wahr, Bark?“
„Ja, entschuldige das Missverständnis, Freundin.“
„Gut gemacht, Eddy!“, sagte V. „Aber jetzt müssen wir uns um dringlichere Probleme kümmern.“
V beschwor schon während seiner Ankunft dutzende Bögen und Schilde, welche die Gruppe vor den meisten Pfeilen und magischen Geschossen verteidigten.
„Lange halt ich das nicht aus!“
In diesem Moment gab der angeschlagene Kommandant den Befehl zum Angriff und ohne zu zögern, stürmten die Soldaten auf die Verbrecher zu.

Dicy stürzte sich Hals über Kopf ins Getümmel und prügelte wenig später auf die Helme ihre Gegner ein. Ihr Energieschild umgab sie vollständig und verteidigte sie gegen Angriffe von hinten und von der Seite. Mit ihrem mechanischen Arm schlug sie einen nach dem Anderen zu Brei und mit ihrer Pistole sorgte sie dafür, dass nicht mehr Wachen als unbedingt nötig auf sie zu rannten.
„Hat irgendjemand Lust, sich was einfallen zu lassen, wie wir von hier verschwinden können?“, schrie sie angestrengt.

Eddy war unterdessen damit beschäftigt, V vor den heranströmenden Wachen zu beschützen, damit dieser sich ungestört auf seine beschworenen Waffen konzentrieren konnte. Seine Hände und Füße waren für den Bruchteil einer Sekunde in ein blasses Licht gehüllt, immer genau dann, wenn einer seiner Schläge traf oder er schnell einem unvermeidbaren Hieb ausweichen musste. Mit seinen bloßen Fäusten schlug er Dellen in die metallenen Brustpanzer und seine Tritte fegten gleich mehrere Kontrahenten zu Boden.
„Kannst du uns nicht hier raus zaubern, V?“, schlug er vor.
„Sieht es vielleicht so aus … als hätte ich … freie Kapazitäten?“, stöhnte er.

V war an seinem Limit. Dies war nicht, wie der Kampf gegen Bastion und Gillian, in welchem er noch selbst kämpfen und minutenlang durchhalten konnte. Die bloße Anzahl seiner beschworenen Waffen mussten an die Hundert grenzen. Jeder Bogen schoss ununterbrochen und die Schilde widerstanden pausenlos Feuerblitzen, Eispfeilen, Erdklumpen und anderem magischem Firlefanz. Im Sekundentakt erloschen mehr und mehr der ätherischen Waffen, bis ein Feuerball seinen Weg durch die Verteidigung fand und neben V einschlug.

Die Explosion warf ihn meterweit zurück. Sofort löste sich der Rest seiner Waffen in Luft auf, die Magier beschworen Elemente, welche sich dem Scharmützel anschlossen und die Bogenschützen zielten nun auf Dicy und Eddy. Sie bekamen die erschwerten Umstände natürlich mit und entschlossen sich gemeinsam, Rücken an Rücken zu kämpfen.
„Du hast nicht zufällig noch ein Ass im Ärmel?“, fragte Dicy hoffnungsvoll.
„Schon, aber das würde ich nur ungern einsetzen“, antwortete Eddy.
„Was? Wenn nicht jetzt, wann denn dann? Mach schon!“
„N-na schön.“
Eddy schloss seine Augen und atmete tief ein. Langsam, aber sicher quoll das Ki aus ihm heraus. Eine Sekunde später war seine linke Seite in ein leicht glimmendes Licht gehüllt und seine Rechte in einen trüben, dunklen Nebel. Wie ein Fremder im eigenen Körper starrte er sich in die Handflächen. Diesen Moment der Ablenkung bemerkten natürlich auch die Soldaten und so rasten drei Schwerter auf Eddy zu.
„Du Idiot, pass schon auf!“, schrie Dicy.

Gerade als sie ihm zur Rettung eilen wollte, erwischte sie eine Wache von hinten und hielt beide Arme ruhig. Dennoch schaffte sie es eine Andere von sich zu treten und eine Weitere mit einer Kopfnuss auszuschalten. Ihre Warnung kam jedoch zu spät.
Die Klingen drohten Eddy zu enthaupten, doch als die Schneide seine dunkle Energie berührte, blieb sie stecken, so, als hätte man sie in einen Baumstamm geschlagen. Daraufhin begann die Kraft auf Eddys rechter Seite zu toben und zu wüten. Sie raste, riss sich selbst meterweit von ihm weg und haftete kurz darauf wieder fest an ihm. Und sie übernahm Schritt für Schritt die helle Seite.

Eddy blickte nach oben und in die Augen des Schwertkämpfers, welcher sich direkt vor ihm befand. Ohne auszuholen, schlug er dem Mann in den Magen. Die Druckwelle des Hiebes reichte aus, um die anderen beiden Angreifer wegzuschleudern. Den Mann, dem der Schlag galt, traf es schlimmer. Er flog nach hinten, riss dabei eine Handvoll seiner Kollegen mit sich und krachte, so, wie Eddy und Bark zuvor, in ein Haus. Dieses stürzte völlig in sich zusammen und begrub die darauf stehenden Bogenschützen ebenfalls unter sich. Bevor die Wache jedoch überhaupt erst in das Gebäude krachte, stand Eddy bereits vor Dicy.

Er griff an ihrem Kopf vorbei und packte stattdessen den der Wache, welche Dicy festhielt. Sie sah nicht, was geschah, doch die Geräusche, die sie hörte, waren eindeutig. Mit einer Hand knüllte Eddy den Stahlhelm der Wache samt Inhalt, wie ein Stück Alufolie, aus der gerade eine Frühstücksstulle genommen wurde, zusammen. Erst löste sich der feste Griff des Soldaten, dann fiel der Körper wie ein nasser Sack zu Boden.
„Ach so, haha, jetzt versteh’ ich“, murmelte Dicy panisch, während sie in Eddys feuerrote Augen sah.

Schreibe einen Kommentar